„Duuu renitentes, mistiges Mistding, du“ dachte ich flüsternd, ging mit machtlos hängenden Armen von dannen, aber hatte immerhin den Anfang eines neuen Textes. Und damit auch gleich das Thema: meinen Anfang als Gartenbesitzer (ich präzisiere hier bewusst. Vom Gärtnerdasein war ich noch meilenweit entfernt). Der geschah so richtig und wirklich, als ich aus meiner Stadtwohnung raus wollte und aufs Land zu ziehen gedachte. Zurück zu meinen Ursprüngen, ein Landeisprung sozusagen. Einige Wochen verstrichen, bis ich umzog, also nutzte ich die Zeit, deckte mich mit Gartenbüchern ein und war recht schnell fest entschlossen, den einen Hauptbereich zu einem blau-weißen Idyll zu machen. Die Reaktionen meines Umfelds waren erstaunlicherweise identisch. Egal, ob es sich um botanisch Liebäugelnde handelte oder nicht, man meinte: „Meine Güte, was bist du stur!“
Nennt mich Nick oder stur, aber die Stimmen waren mir schnurz. Bevor ich überhaupt den neuen Schlüssel in Händen hielt, raste ich ins Gartencenter und kaufte mir das erste blaue Ding. Hatte mit Hannibal Lecter zu tun: „Du begehrst, was du täglich siehst.“ Täglich sah ich und begehrte darum Hibiscus syriacus Blue Bird außerordentlich, also kam er im Topf auf meinen Stadtbalkon und wartete auf sein neues Zuhause. (Ich sitze übrigens gerade neben ihm. Verflechtet schielt er zu mir rüber und zeigt erste zaghafte Blattknospen. Grinsend. Der weiß schon warum.) Der allererste Schaufelstich im eigenen Garten (mit einer Billigschaufel, die einen Monat später den Geist bzw. den Stiel aufgeben sollte; wenigstens war das Schaufelteil blau) galt ihm. Der Auftakt zu meiner idée fixe.
(Heute weiß ich, dass man – bei konsequentem Farbkonzept – bloß kaufen darf, was blüht. Aber sag das mal einem lechzenden Anfänger.) Als der Roseneibisch endlich blühte, spürte ich im Rücken mein Umfeld hämisch frohlocken. Das Teil hatte zwar brav seine Blue Bird-Blüten, schmückte sich darüber hinaus aber auch noch mit zwei Red Heart-Ästen. Allein der Gedanke, dass gewisse Leute für solch einen Kombistrauch viel Geld hinblättern, tröstete mich über diesen Schicksalsschlag hinweg. Ich ließ das elende Teil, wo es war.
Eigentlich wollte ich jetzt zu was anderem überleiten, aber der Hibiscus flicht sich noch mal rein (dafür darf ich ihm hier kurz an den Ast pinkeln: Heute finde ich diese Roseneibische gar nicht mehr so schön, auch wenn eine gewisse Nostalgie gepaart mit Bequemlichkeit etwas anderes vermuten lassen). Lassen wir ihm den Gefallen, er begleitet mich immerhin schon viele Jahre lang. Im bösen Winter 2011/12 starb ja einiges dahin. Und was auch? Richtig. Der Red Heart-Anteil. Ich zeigte den anderen im Nachhinein die Zunge – Sturheit siegt, wenn auch spät, ha! – und störte mich nicht an seinem äußerst krakeligen Habitus (das rote Herz – sinnig, wie die Natur mal ist – war exakt in der Mitte. Der blaue Vogel zeigte nun deutlich seine Gesinnung in ausladender V-Form. Nicht schön. Aber trotzdem gut. Zumindest für ein „Ha!“).
Was soll ich sagen. Red Heart treibt seither von unten munter aus, und als ich mir kurz danach nochmals einen Roseneibisch, diesmal den Totus Albus, gönnte, hätte ich’s schon wissen müssen. Tat ich aber nicht. Nebst dem Reinweißen blinkt es – auch dieses Jahr bald mal wieder – rosa dazwischen (aber er steht nicht im blau-weißen Bereich. So.).
Jetzt ist aber die Überleitung dran, da kann mich kein Eibisch davon abhalten. Und die Überleitung ist gerade auch in besagtem Gartenbereich geschehen. Nachdem die quietschigen Krokranten nun weg sind (ja, da war ich großzügig; nach dem ersten tristen Winter fand ich die Vorgängerkreischer zu hinreißend), herrscht nun nämlich farbliche Zucht und Disziplin. Nun gut, blaaau ist ja ein dehnbarer Begriff … Violett und Lila dürfen da auch, solange sie einen anständigen Blauanteil aufweisen (anständig – wieder so was dankbar Flexibles). Und, ja, der eine Rosenhain, den ich anzulegen genötigt war, ist nur mit sehr viel Farbblindheit blaustichig zu nennen. Und um der Ehrlichkeit ein Krönchen aufzusetzen: Es werden noch die tulpigen Königinnen der Nacht blühen; wenn man sie mit zusammengekniffenen und leicht schielenden Augen studiert und dabei die Sonne im Rücken hat, sieht man den Rotstich kaum mehr. Aber sonst ist wirklich alles weiß-blau-violett, bockstur bis zum Frost. Abgesehen von einigen weiß zu blühenden Digitalis-Ausreißern, die das Purpurea in ihrem Zwienamen zu ernst nehmen. Und abgesehen davon, dass es streng genommen keine weißen Hems gibt und keine blauen. Da können die noch lange Bluebird Butterfly heißen. Und abgesehen von … nun denn. Es gibt stur und stur.
Meine lockere Sturheit oder großzügige Konsequenz bewahrt mich zuverlässig davor, die Flinte bzw. Schaufel ins Radieschenbeet zu werfen, bis auf eine winzige Ausnahme. Die Mistdinger. Auch bekannt unter dem Namen Darwin-Hybriden. Darwin. Genau. Gelb und rot und augenauaorange kommen sie beständig jedes Jahr aufs Neue zum Vorschein und vermiesen mir alles. Was hab ich versucht, wie tief hab ich schon gegraben, nein, die Viecher merken das und weichen aus. Noch tiefer, noch einen Zentimeter weiter rechts oder links oder was auch immer. Nach dem ersten kathartischen Fluchen und Davonzotteln (s. oben) folgt dann stets der Griff zur Schere. Im Haus gibt’s zum Glück kein Farbkonzept, da dürfen Vögel jeglicher Couleur rumflattern.