Ich wollte eben zum oberen Gartenteil hüpfen, um die ersehnten ersten Bohnen der Saison zu ernten, als der Blick nach links und die Ernteschüssel aus der Hand fiel. Quer durch das Staudenbeet … eine herausgebuddelte Schneise der Verwüstung. Nach Luft schnappend eilte ich zum Ort des Verbrechens, hob ein zerfetztes Geranium pratense ‘Midnight Reiter’ hoch, und dann gleich noch zwei. Schlaff und nicht mehr zu retten lag auf meiner Hand, was ich vor kurzem erst liebevoll gesetzt hatte. Betrübt betrachtete ich die nicht minder schmerzhaften restlichen Kollateralschäden, als mich eine braunschwarz verdreckte Hundeschnauze anstupste, dicht gefolgt von einem leuchtenden Augenpaar und, etwas weiter hinten, einem beglückt wedelnden Schwanz. In solchen Momenten tut man nicht, was man am liebsten täte. Und das ist gut so. In diesem Fall ganz besonders.
Denn als ich mich ans Wiederherstellen des lädierten Staudenbeets machen wollte, trat zutage, was Mo, der Hund, da freigelegt hatte: nichts Geringeres als ein veritables Gangsystem. Mitsamt Kreuzung. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen: Wühlmäuse, aber natürlich! Jahrelang hatte ich gewerweisst, warum die sorgsam ausgewählten, weil anscheinend wildfrohwüchsigen Zwiebelpflanzen immer weniger wurden, warum Unkaputtbares wie Weiden, Felsenbirnen oder Zedern von heute auf morgen die Federn streckten und warum es hier, dort und drüben diese unergründlichen Ecken des Todes gab. Mo öffnete mir die Augen. Und den Hühnern den Boden. Noch am selben Tag rannte eines an meiner verblüfften Wenigkeit vorbei – mit Mini-Wühlmaus im triumphierend hochgereckten Schnabel und hektisch nach hinten geworfenen Blicken.
Noch bevor ich das Wühlmausproblem in die eigene strategische Hand nehmen konnte, löste es sich auf verblüffend simple Weise. Bei meinem Wegzug verliess ich meinen geliebten Garten und mit ihm zugleich auch das ganze dort herrschende Ungemach: Wühlmäuse, andere Plagen und nicht mehr rückgängig zu machende Eseleien (das Pflanzen von Seifenkraut zum Beispiel). Nun konnte ich gänzlich neu beginnen, sorg- und wühlmauslos. Und tatsächlich blieb ich das einzige Wesen im Garten, das lustvoll triebgesteuert in der Erde wühlte. Ein ganzes Jahr lang.
Doch dann kam ein neuer Frühling. Und mit ihm ein Rhabarber, der beim Austrieb direkt in die Notblüte ging, statt überhaupt auch nur Blätter zu produzieren, eine unerklärlicherweise dem Serbeln anheimfallende Maibeere und der ungewohnt zögerliche Wuchs meines selbstgezogenen Szechuanpfeffer-Jünglings. Noch bevor ich mich richtig wundern konnte, ging Mo ans Werk. Mit der Akribie eines Landvermessers legte er die gesamte Hauptverkehrsachse der zugezogenen Mäusesippe frei und dabei gleich auch den Szechuanpfeffer flach. Sich darüber auch noch freuen zu müssen, kam einer Herausforderung gleich. Stirnrunzelnd grub ich den misshandelten anderthalbmetrigen Jungspund aus, um ihn in einen Notfalltopf zu stecken. Und dies keine Sekunde zu früh: Die meuchelnden Mäuse hatten ihm schon fast alle Feinwurzeln weggenagt. Bewundernd, anerkennend und mit grossem Stolz guckte ich mich suchend um nach Mo, meinem Gehölze rettenden Wühl- und Wohltäter. Meditativ konzentriert schaute er gerade in die Ferne und pinkelte dabei an eine Gurkenpflanze.
Mit unverblümt-schelmischem Vergnügen berichte ich in der Zeitschrift Pflanzenfreund regelmäßig über das, was gemeinhin verschämt unter den sattgrünen Rollrasen gekehrt wird: Misserfolge, Missgeschicke und Misstritte – mit Vorliebe die eigenen. Und nun auch hier.
Zum Beitragsbild: Zu dieser Kolumne gehört auch ein Autorenporträt, das in typischer “Pflanzenfreund”-Manier für jeden Beitrag neu geknipst wird. In und von meinem Umfeld.
Bei dem Wort “gewerweisst” musste ich erstmal überlegen – herrliche Wortschöpfung:-)
Hühner, die Wühlmäuse aufspießen, ein Hund, der Dir die Laufbahnen der Wühlis freilegt – Du hast sehr gute Gartenhelfer!
Ja, liebe Rosenfee, ich habe tolle Gartenhelfer. Wenn du spontan antworten müsstest: Wer ist dein bester Gartenhelfer? (Darf auch ein Regenwurm sein oder so ;-D).
Werweissen ist übrigens ein gängiger Helvetismus, den ich wie du auch so herrlich finde.
Mein bester Gartenhelfer ist mein Nichtgärtner. Ich lass jetzt bücken und große Löcher buddeln;-)
Da sieh mal einer an! Du hast ja tatsächlich auch einen Wühlwohltäter! ;-D