Efeuliebe

Meine Mutter brachte jeden Efeu um die Ecke, der nicht bei drei auf irgendeinem Baum war. Wie mein ehemaliger Nachbar. Zumindest drohte er damit. Sollte es auch nur ein einzelnes Blättchen dieses unflätigen Gelumps (also meines) wagen, die Grundstücksgrenze zu überqueren, täte er dasselbe, aber mit Gift. Und zwar literweise. Gänzlich fern war solch Meuchellust meiner Mutter. Und doch sprang jeder Zimmerefeu, den zu lieben und herzen sie vorhatte, nicht nur vorzeitig, sondern von selbst über den Jordan. «Schon wieder?» wurde zum geflügelten Familienwort und -rätsel, denn bei Mutter gedieh sonst alles, als wüchse es direkt am Amazonas auf bestem Kaimankakadünger.

Verständlich war daher, als ich in meinem ersten Garten unbedingt Efeu haben wollte, ihr Rat, vorsichtshalber an der geplanten Stelle gleich mehrere zu pflanzen, denn die sterben ja so schnell. Taten sie aber nicht. So sehr nicht, dass mir nach wenigen Jahren gar angst und bange wurde ob ihrer überwuchernden Wucht. Und ob der störrisch eingeschlagenen Wuchsrichtung, die so ganz und gar nicht geplant gewesen war. Der herkulische Versuch, sie wenigstens zu dezimieren, scheiterte angesichts der Hanglage und nun schon massiven Wurzelstöcke kläglich. Wollte ich weiterhin machetenlos zu Küchentür sowie Garagentor gelangen und mein geliebtes Gelump daran hindern, zum unflätigen Unmenschen rüberzuschielen, blieb mir nichts anderes übrig. Zur Schere musste ich greifen. Deftig und zweimal jährlich. Nun mögen es die wenigsten, zurechtgestutzt zu werden, auch Efeu nicht. Tapfer wehrte er sich mit seinem Härchenstaub, der beim Schnitt unweigerlich aufgewirbelt wird, und dem ihm innewohnenden Falcarinol, bis mein Körper reagierte. Mit jedem Schnitt mehr begannen die Niesattacken früher, tränten die Augen, schwoll die Nase zu, juckte jedes unbedeckte Fitzelchen Haut auch noch Stunden später. Die einzige Lösung (lieber hätte ich mich totschlagen lassen, als die brachial nachbarliche auch nur anzudenken) bestand darin, viktorianisch gewandet, nie länger als eine halbe Stunde und, wenn immer möglich, mit angehaltenem Atem zu schneiden. Wer hätte das gedacht. Meine Efeuliebe entpuppte sich als so tief wie die mütterliche und war fast ebenso problematisch. Mit der Liebe ist es so eine Sache – Wunsch und Wirklichkeit decken sich … manchmal. Oft aber auch nicht. Die meine, das war mir nach meinem Wegzug klar, liess sich nur noch ausleben, würde fürderhin nicht mehr beschnitten.

Nun ist Efeu für provisorische Gärten nichts. Ganz bestimmt nicht einer, der sich frei entfalten dürfen sollte. Weil ich Vernarrte aber auch in der Zwischenzeit nicht ohne sein mochte, erwog ich die beste aller Zwischenlösungen. Dazu gehören die herzblattförmige Altersform, die unter dem Namen ‘Arborescens’ verkauft wird, buschig wächst und nicht viel höher wird als zwei Meter, die Sorte ‘Erecta’, die zumindest anfangs aufrecht dasteht und zuverlässig langsam und gedrungen wächst, sowie herrlich viele Mini-Efeusorten mit herrlichen Namen, in die man sich schon beim Lesen verguckt : ‘Duckfoot’ etwa, ‘Feenfinger’, ‘Knülch’ oder ‘Wichtel’.

Man ahnt, was folgt: Seit Beginn meiner neuen Gartenzeitrechnung mickert das Gesetzte, Stecklinge gingen nicht an (bei Efeu!!), von Freundinnen Zugeschickte gingen auf dem Postweg perdü … Der Wurm, der in dieser Liebe steckt, ist ganz besonders fett. Ich lass ihn stecken und übe mich in Geduld. Irgendwann habe ich ihn, meinen Garten mit Hühnern und Efeu –  freilaufend und -wachsend …
und ich mittendrin.

 

Mit unverblümt-schelmischem Vergnügen berichte ich in der Zeitschrift Pflanzenfreund regelmäßig über das, was gemeinhin verschämt unter den sattgrünen Rollrasen gekehrt wird: Misserfolge, Missgeschicke und Misstritte – mit Vorliebe die eigenen. Und nun auch hier.

Zum Beitragsbild: Zu dieser Kolumne gehört auch ein Autorenporträt, das in typischer “Pflanzenfreund”-Manier für jeden Beitrag neu geknipst wird. In und von meinem Umfeld.

 

2 Kommentare

  1. Ah wie herrlich, dass man nicht alleine mit diversen fetten Würmern ist 😊😊😊

    Zum Thema Efeu: Hier nebenan, vor 30 Jahren, hat eher nicht eine große Liebe, sondern ein besoffener One-Night-Stand Pate bei Gartengestaltung gestanden. D.h. ich habe hier nicht nur die unwiderstehliche Kombi aus Scheinzypresse, Kirschlorbeeren und Efeu hinter dem Zaun zu bewundern, sondern darf mich in einen territorialen Verteidigungskampf 2x im Jahr werfen. Man ahnt schon: Ich kann die Gefühlslage deines Ex-Nachbars ganz gut nachvollziehen.

    Aber jedem Tierchen sein Pläsier… ehm … Würmchen! Daher wünsche ich Dir nicht nur einen Traumgarten mit Hühnern und Efeu, sondern auch, dass die gute Fee, die dir den Wunsch erfüllen wird, ganz genau liest und dich nicht aus Versehen mit frei-laufendem Efeu und stets wachsenden Hühnern glücklich zu machen versucht 😛

    1. Liebe Anke,
      verzeih, dass ich dir erst jetzt antworte, obwohl du einen so herrlich erheiternden Gutelaune-Kommentar geschrieben hast, dass ich beim Lesen nicht anders konnte, als hörbar zu glucksen.
      Sei efeuherzlich gegrüsst
      Nick

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