Wenn es ein Thema gibt, bei dem meine Augen unweigerlich zu glänzen beginnen, dann ist dies des Menschen bester Freund. Lassen wir eine Einschränkung gelten: Vieler Menschen bester Freund. Die restlichen interessieren sich entweder nicht groß dafür – für mich schon Anlass zu einem entrüsteten Augenaufreißer –, wenden sich angewidert davon ab oder nehmen bei seinem Anblick die Beine in die Hände aus Angst vor Verletzungen. Letzterer Bedenken kann ich nachvollziehen, auch bei mir floss schon reichlich Blut, dies aber immer aus eigener Schuld. Außerdem bin ich kein Weichei. Da wir eh schon beim Präzisieren sind: „Freund“ ist zu verallgemeinernd. Ja, es gibt Exemplare, die es zum Freundesstatus schaffen, andere nicht und gewisse erreichen sogar mehr: „Familienmitglied“ oder gar „Partner“ (leider meist nur ein Lebensabschnitts-).
Momentan bereichern mein Leben drei Familienmitglieder, vier Partner, sechs One-Day-Stands, zehn Freunde und fünf entfernte Bekannte (Ich vermute, diese grobe Schätzung ist grob untertrieben, aber wer wird hier schon mit Korinthen werfen). Begonnen hatte ich mit drei. Drei echten Partnern. Große Schaufel, Handschaufel, Felco Nr. 2. Meinem Wesen, das es gerne kompliziert mag, vor allem dann, wenn’s auch viel einfacher ginge, genügte die Dreifaltigkeit erstaunlich lange. Und wo sie nicht genügte, kam das zweifach naturgeschenkte Ersatzmaterial zum Einsatz: Hand 1 und Hand 2.
Bevor man sich – so sehr das Auge glittert und glänzt – über Arbeitdinger Werkzeuge auslässt, gebührt es die Höflichkeit, sich vor denjenigen zu verbeugen, die es ersetzen, halten, streicheln und pflegen. In entrückten Momenten – jetzt etwa – betrachte ich meine Hände, die Finger, die dazu gehören, die diversen Narben, die Hornhautstellen, die neusten Verletzungen, die unbrauchbaren Relikthaare, die tannengrün lasurverfärbten Stellen, die Kugelschreiberinskriptionen auf der linken Handinnenfläche (08:35-11:17), die Holunderbeerenflecken, die dreckigen Nägel. „Nick! Trag doch mal Sorge für deine Hände! Nicht mal eincremen tust du sie! Und deine Fingernägel! So kannst du doch nicht unter Leute!“ höre ich heute noch meine Mutter kreischen. Ich konnte und kann. Und wären meine Hände je eine Felco Nr. 6 und eine Nr. 7 (mit Rollgriff), dann sähe das mit dem Putzen und Cremen etwas anders aus. Ich bin nun mal kein Handfetischist.
Dem unbenommen weiß ich aus eigener Erfahrung, was passiert, wenn es mit der Elektrik hapert (sprich all dem neuronalen Dingsbums, von dem ich zu wenig Ahnung habe, als dass ich mich näher darüber ausließe) und die Hände plötzlich nicht mehr das tun können, wofür sie gedacht sind. Dies führte dazu, dass ich heute nicht mehr so stinkverwöhnt bin, als dass ich diese zwei Wunderwerkzeuge an meinem Körper nicht anständig zu schätzen wüsste. Immerhin.
Ehrlich gesagt gedeihe ich all meinen Liebeleien auch nicht immer die nötige Pflege an. Letztes Jahr war ich vorbildlich, reinigte, desinfizierte, schliff, ölte und verstaute, auf dass man auf Anhieb fünde, was man brauchte. Dieses Jahr, naja. Finden tu ich’s wenigstens meistens. Aber zurück zum Thema. Erzählen wollte ich ursprünglich, wie aus dem Drei- ein Dreiundzwanzig-Gestirn wurde. Das nämlich kam so: Dass es zig unterschiedliche Werkzeuge gibt für die zig unterschiedlichen Gartentätigkeiten, war mir schon bewusst, schließlich hatte ich Augen im Kopf und führte beide ständig durch Gartenbedarfsläden. Trotzdem blieb ich skeptisch. Liegt an meiner allgemeinen Skepsis unserer Hast-du-noch-nicht?-brauchst-du-dringendst!-Gesellschaft gegenüber. Alles Geschäftemacherei, dachte ich mir, stach mit der Handschaufel ein Unkraut aus und pfiff auf Unkrautstecher. Bis ich eben einen solchen erwerben sollte, in einem schwachen Moment. Der Griff aus glattem Holz, darauf eine unkitschig schnörkelige Schrift, eingebrannt auf Englisch: „Gartenhelfer“, das schlanke Metallteil aus edlem Unrostbarem … da war’s um mich geschehen.
Zu Recht. Mit dem Ding machte ich allen Wurzelübeltätern sauberen Garaus, ohne dabei einen Krater zu hinterlassen oder meine Sehnenscheiden zu verärgern. Eine Erleuchtung sondergleichen. Es gibt tatsächlich Werkzeuge, die einen nicht nur monetären Sinn haben. Von da an ließ ich Amor die Pfeile kreuz und quer schießen. Eine Schneidegiraffe! Nie mehr auf wackligen Stühlen/Leitern und mit ausgestrecktestem Arm blind im Gewirr rumschnipseln. *wohlig seufz* Ein Rasenkantenstecher! Guck da, das geht plötzlich wie von selbst und schaut sogar gut aus, das Resultat! Ein Sauzahn! … Nun ja. Den hatte ich nur wegen des Namens und des saumäßig guten Aussehens gekauft. Gebraucht? Schätzungsweise zweimal. Aber er macht sich ungeheuer schmuck im Gartenhausdurcheinander.
Vorvorvorgestern war es, als eine gartenphile Klosterschwester, die alters- und gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, selber Hand anzulegen, mich fragte: „Möchten Sie meine kleine Gartenkralle?“ Ich guckte an ihr hoch – auf allen Vieren den gerade gejäteten Boden mit neuen Stauden versehend – und dachte noch „Gartenkralle? Hallo? Ich kralle da gerade problemlos mit meinen Arbeitdingern“, als ich verstand. „Ihre Gartenkralle?“ „Ja“, meinte sie, „das ist ein wirklich gutes Werkzeug. Da die anderen Schwestern es nicht zurückforderten, versteckte ich es in meinem Schrank.“ „In Ihrem Schrank? In Ihrem Zimmer?“ (Ich kicherte Monty-Python-mäßig) „Ja. Es ist ein wirklich gutes Werkzeug. Ihnen würde ich es leihen.“
Arbeitdinger sind mehr als Werkzeuge. Da ist wahre Liebe mit im Spiel. Das Angebot der Klosterschwester habe ich nicht angenommen, noch nicht. Ich werde es wohl demnächst tun, rein aus Ehrerbietung ihr gegenüber. Bis dahin herze ich meine Lieblinge. Kurz bevor und kurz nachdem ich sie gebraucht habe und manchmal auch währenddessen.
Zum Herzen braucht man u.a. Hände. Oder zum Messen. Es dauerte ein Weilchen, bis ich herausfand, dass ich etwas stets mit mir rumtrage: Ein Eichmaß der Sonderklasse. Dehne ich Daumen und Zeigefinger, bis nix mehr geht, dann habe ich dazwischen sichere 18 Zentimeter zur Verfügung. Glücklicher wäre ich – Matheungenie – mit einem rechnerisch einfacheren Maß, aber was willst du. Ich hab sie schließlich nicht gekauft.