die im Topf wartende Campanula ins Beet setzen und hatte auch tatsächlich einen tollen Platz für sie, der nur den einen kleinen Nachteil hatte, dass er bereits belegt war. Von Arabis ferdinandi-coburgii, die mal „Variegata“ war. Das ist eben auch so eine Geschichte. Ich hatte tatsächlich mal Geld ausgegeben dafür und ich sage jetzt nicht, wie viele ich davon gekauft hatte – das übersteigt meine Schamgrenze, Ehrlichkeit hin oder her. Natürlich ist es nicht von vornherein schlecht, wenn sich eine Pflanze dermaßen entschlossen auf kriechendem Wege die Welt untertan machen möchte, das dürften nach meinem Geschmack sogar nicht wenige derjenigen tun, die sich bislang strikt dagegen gesträubt hatten. Aber die Gänsekresse … ach, ich weiß nicht. Seit Jahren schreib ich jeden Frühling in mein Gartentagebuch: „Herrlich, diese Arabis-Myosotis-Kombi. Habe nun doch beschlossen, sie nicht rauszureißen.“ Trotzdem. Die stört. Die wuchert sich in die Belange von Stauden, die mir – hier klappt’s wieder mit der Ehrlichkeit – lieber sind, stängelt nach dem Blühen ärgerlich vor sich hin und ist bis zum nächsten Frühling einfach da. (Allzu böse will ich nicht sein, ich hab noch welche zu Füßen von Rosen. Da find ich die klasse.) Kehren wir zum Anfang zurück: Der obige Nachteil war darum gar nicht ein so unerfreulicher. „Höhö, Arabis dezimieren, yessap!“ Also ins Gartenhaus, Füße ringend versuchen, sich einen Weg zu bahnen, damit man an den Gartensack gelangt, den man nach letztem Gebrauch mit erstaunlichem Schwung reingeschmissen hatte, über eine lotterhaft in den Weg ragende Pflanzenstütze stolpern, dabei mitten auf einen vergessenen Tontopf donnern, der dann … wie auch immer. Man schiebt seine Überreste halbherzig mit einem Fuß zur Seite, besinnt sich eines Besseren und geht auf die Suche nach Schaufel und Besen. Ich mach jetzt mal einen neuen Absatz.
Das Zeug ist inzwischen zusammengekehrt und nachdem ich rausgefunden hatte, wohin ich es am besten kippe (Tonscherben kann man immer brauchen – vielleicht), konnte ich mir endlich meinen Lieblingsgartensack greifen. Da bin ich etwas eigen. Bei der Arbeit hantiere ich am liebsten mit den Lieblings-, egal ob Gartensack, Felco, Handschaufel, … Letztlich spielt es keine Rolle, alle Alternativen wären ebenso zweckmäßig, wobei, doch, es spielt eine ausgesprochene Rolle, denn die Alternativen hätten keine Löcher, wackelnde Griffe und Dergestaltiges. So viel zur Zweckmäßigkeit. Also. Frohgemut zurück zum Tatort. Ich mag das, dieses Arabis-Ausreißen. Die geben sich willig her und überdies steigt einem dabei ein eigentümlich angenehmer Duft in die Nase. Der neue Pflanzplatz wäre inzwischen bereit, aber dann erblickt man weitere Arabistentakel zwischen der angrenzenden anderen Campanula. Nu ja, man ist ja eh schon dran, also säubert man noch weiter. Das dauert, immerhin will man die zarten Triebe der „Wedding Bells“ nicht erzürnen. Nachdem die nun endlich befreit ist, steht der Gang zum Kompostplatz an. Gut gelaunt geht man rauf, sieht im Vorbeigehen kopulierende Minzenkäfer im Pfefferminzenhorst, lässt von seinem Vorhaben kurz ab und tötet sie beherzt, wenn auch mit schlechtem Gewissen. (Ich kann es drehen, wenden und abwarten, wie ich will, ihr einziger natürlicher Feind bin bislang immer noch ich. Da bleibt keine Wahl.) Neuer Absatz? Es sei.
Nachdem man noch eine Viertelstunde der Suche nach weiteren Käfern geopfert und anschließend den Inhalt des Gartensacks vooorsichtig auf dem mittleren, bereits überquellenden Komposthaufen verteilt hat, kann endlich die Campanula freigelassen werden. Auf dem Weg dorthin sehe ich mit zürnendem Schrecken, dass die brandneue Corydalis den Sch…schnecken offensichtlich deliziös mundet. Naseschnaubend mache ich mir klar, dass die indirekte Tötung sofort zu geschehen hat, denn morgen würden da bloß noch Blattgerippe rumhängen. Das Schneckenkorn ist unten, also runter, an den Staudenbeeten vorbei und kurz innehalten. Mensch, was ist die Nepeta kubanica ein Riesenteil! Und guck, da sind ja Blütenknospen, freu! Ob ich Stecklinge nehmen soll? Gute Frage. Wäre vielleicht mal eine gute Idee, mir eine To-do-Liste für Stecklinge anzulegen, sonst denk ich erst wieder im Herbst dran. Könnte ich ja nachher gleich machen, wobei … ach, das drängt ja jetzt nicht so.
Inzwischen habe ich vergessen, warum ich so zielgerichtet rechts abbiegen wollte, bin so was aber gewohnt und wende mich – wie immer in solchen Fällen – schulterzuckend nach links. Zur Campanula. Irgendwie ist die nicht so begeistert von der lockenden Freiheit und stemmt sich mit allen Wurzeln dagegen, aus dem bauchigen Topf zu plumpsen. Wer, bitte, kam auf die Idee, solche barocken Pflanztöpfe zu kreieren? Ich brauche keine pummelige Putte, ich brauche einen Topf, Kreuznagelundblei, aus dem man Pflanzen auch wieder rauskriegt. Dämdödel, wer die kauft und mit obendreiniger Einfältigkeit auch noch benutzt. Ich ignoriere das Eigentor großzügig, heble, klopfe und tu sonst Vergebliches. Der Unkrautstecher, genau, mit dem könnte es klappen. Allein, wo mag er sein? Ich geh mal eben zum Pflanztisch, dort befindet sich fastnormalerweise alles, was man mindestens einmal wöchentlich braucht, es sei denn, es handle sich um Gartensäcke. Freudig überrascht finde ich ihn nach einigem Wühlen tatsächlich und erspähe beiläufig das Schneckenkorn. Stimmt, da war ja was. Auf dem Weg zum Puttentopf stell ich die Tatwaffe neben die Gießkannentruppe und bin richtig stolz auf diesen Knoten im Taschentuch. Nachher werde ich mindestens zweimal dorthin müssen, die Rettung des Corydalis’ ist somit sichergestellt.
Wir kommen zum Ende. Zumindest, was diesen Text betrifft. Die Campanula fand unter beiderseitigem Zwingen, Zwängeln und Ächzen an ihren neuen Platz, sie wurde auch angegossen, genauso wie die Steck- und Sämlinge in den Kalten Kästen (wer am lautesten welkt, trinkt zuerst) sowie die leiser Welkenden an anderen Orten. Der leere Bauchige wurde gleich wieder neu bepflanzt. So ein leerer Topf inmitten der Topfgruppe … nee.
Am nächsten Tag suchte ich das Schneckenkorn auf dem Pflanztisch, weil die Myrtenastern sonst nie länger als einen Tag aus der Erde gucken würden und fand es schließlich. Ihr wisst.